Kognitivismus

Definition

Der Kognitivismus ist ein Teilgebiet der Psychologie, das sich vorrangig mit der Informationsverarbeitung und den höheren kognitiven Funktionen des Menschen beschäftigt. Im Gegensatz zum Behaviorismus wird menschliches Verhalten im Kognitivismus nicht durch Umweltbedingungen, sondern über kognitive Prozesse erklärt. Gegenstand der Forschung sind daher die „inneren“ Prozesse des Menschen: die Art und Weise, wie Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten, verstehen und erinnern.

»Der ist der beste Lehrer, der sich nach und nach überflüssig macht.« (George Orwell)

Geschichte des Kognitivismus

Noam Chomsky

Im beginnenden 20. Jahrhundert war der Behaviorismus die vorherrschende Strömung in der Lernpsychologie. Mitte der 1950er Jahre wurde allerdings immer deutlicher, dass sich menschliche Verhaltensweisen und Prozesse nicht immer mit behavioristischen Mitteln erklären lassen. Einer der wichtigsten Kritiker des Behaviorismus ist Noam Chomsky. Er beschreibt z.B. in [Cho59, 26-58], warum der Behaviorismus für die komplexen Aspekte des Spracherwerbs bei Kindern keine befriedigenden Antworten liefern kann. Neben den Arbeiten Chomskys war u.a. das Erscheinen von Ulric Neissers Buch „Cognitive Psychology“ [Nei67] einer der Grundpfeiler der sogenannten „kognitiven Wende„. Ab den 1960er Jahren bildete sich damit eine neue Generation von Psychologen heraus, die den strengen Grenzen des Behaviorismus den Rücken kehrte und sich mit der Erforschung der menschlichen Kognition sowie der höheren geistigen Prozesse wie Sprache und Bewusstsein befasste. Dies war die Geburtsstunde der kognitiven Psychologie.

Leitgedanken des Kognitivismus

Eine der grundlegenden Annahmen des Kognitivismus ist die Maschinen-Metapher. Der Mensch wird als biologische Maschine betrachtet, die Informationen aufnimmt, verarbeitet, abspeichert und anwendet. Im Bild dieser Metapher ist es das Ziel des Kognitivismus, die Funktionsweise und Gesetzmäßigkeiten dieser biologischen Maschine zu erforschen. Konkret heißt das: dem Kognitivismus geht es darum, die im Gehirn ablaufenden Prozesse – z.B. Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Entscheidungsprozesse, Problemlösen, Sprache – zu verstehen.

Kognitivismus
Vereinfachtes Modell des Kognitivismus

Vergleich zu Behaviorismus und Konstruktivismus

Vergleicht man den Kognitivismus mit anderen Lerntheorien, wird deutlich, dass es sich um einen „modernen“ Zweig der Psychologie handelt: der Gegensand der Forschung ist nicht mehr streng beschränkt, vielmehr gibt es zahlreiche Überschneidungen zu behavioristischen und konstruktivistischen Theorien. Dennoch grenzt sich der Kognitivismus in einigen Punkten klar von anderen Lerntheorien ab.

Im Gegensatz zum  Behaviorismus betrachtet der Kognitivismus den Menschen nicht mehr als Black-Box sondern untersucht genau diejenigen innerpsychischen Prozesse, die im Behaviorismus bewusst ausgeklammert bleiben. Einer der wesentlichen Kritikpunkte am Behaviorismus besteht in dessen starren Reiz-Reaktions-Theorien und der damit verbundenen unzureichenden Erklärung menschlichen Verhaltens. Verschiedene Individuen können z.B. vollkommen unterschiedlich auf den selben Reiz reagieren – ein Umstand, der in behavioristischen Theorien außer Acht gelassen wird.

Stärkere Überschneidungen finden sich dagegen mit konstruktivistischen Theorien. Dennoch gibt es auch hier Unterschiede. Während der Konstruktivismus davon ausgeht, dass Individuen nicht auf eine objektive Umwelt reagieren sondern auf ein subjektives Abbild der Realität, sind die kognitiven Strukturen sehr wohl von Reizen und Wechselwirkungen aus einer objektiven Umwelt abhängig.

Kognitivismus und Lernen

Lernpsychologie

Während der Behaviorismus für das klassische Lernen durch Verstärkung (z.B. durch Wiederholung und Belohnung) steht, sieht der Kognitivismus den Lernvorgang als Prozess der Informationsverarbeitung, der auch die Interpretation und Bewertung des aufgenommenen Wissens mit einschließt. Kognitivistisches Lernen kann man auch als Lernen durch Einsicht, d.h. Lernen durch Verstehen und Nachvollziehen, bezeichnen. Es geht also nicht mehr um das „Einpauken“ von Informationen, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt und den Erwerb von Methoden und Fähigkeiten für das Lösen von Problemstellungen.

Damit ein Lernvorgang im kognitivistischen Sinne erfolgreich stattfinden kann, müssen in jedem Fall die Regeln der Informationsverarbeitung beachtet und Lerninhalte entsprechend aufbereitet werden (vgl. [Von06], 10-15):

  • Aufmerksamkeit wecken
    • Sowohl die grundsätzliche als auch die gerichtete Aufmerksamkeit des Lernenden muss gewährleistet sein. Lernfördernde Reize sollten daher ungewöhnlich, unbekannt und abwechslungsreich sein. (z.B. Verpacken des Lerninhalts in einer Geschichte, Nutzung von Hervorhebungen, Formulierung von Lernzielen)
  • Vorwissen aktivieren
    • Neue Informationen werden wesentlich besser verstanden und gespeichert, wenn diese mit bestehendem Vorwissen verknüpft werden können. Zu Beginn eines Lernvorgangs sollte daher ein kurzer Überblick über den folgenden Lernstoff gegeben werden, an den die Lernenden dann anknüpfen können.
  • Wahrnehmungsprozess unterstützen
    • Lerninhalte sollten so aufbereitet werden, dass diese vom Lernenden leicht wahrgenommen werden können. Konkret heißt das, dass eine abgeschlossene Informationseinheit nicht mehr als einen Bildschirm oder eine Buchseite / Folie umfassen sollte. Komplexe Informationen sollte in ihre Bestandteile zerlegt und als aufbauende Informationskette präsentiert werden. Weiterhin solltne Informationen einfach, verständlich und prägnant dargestellt werden.
  • Speicherung im Gedächtnis verbessern
    • Die Gedächtnisleistung der Lernenden kann u.a. durch die Aktivierung von Vorwissen, Wiederholungen sowie Anwendung der neuen Informationen verbessert werden.
  • Wissen überprüfen und verbessern
    • Kontrolle des gelernten Wissens und ein damit verbundenes Erreichen von Lernerfolgen bzw. konstruktives Feedback können das Lernverhalten positiv beeinflussen.
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Quellen und Literatur

[Cho59] Chomsky, Noam: A review of B. F. Skinner’s verbal behavior. Language 35, 26-58 (1959)

[Glu10] Gluck, Mark A., Mercado, Eduardo, Myers, Catherine E.: Lernen und Gedächtnis – Vom Gehirn zum Verhalten. Springer Verlag (2010)

[Nei67] Neisser, Ulric: Cognitive Psychology (1967)

[Sch06] Schermer, Franz J.: Lernen und Gedächtnis. Kohlhammer (2006)

[Thi97] Thissen, F. : Das Lernen neu erfinden: konstruktivistische Grundlagen einer Multimedia-Didaktik. in: Beck, U., Sommer, W. (Hrsg.): Learntec 97: Europäischer Kongreß für Bildungstechnologie und betriebliche Bildung, Tagungsband; S. 69-80; Schriftenreihe der KKA; Karlsruhe (1997)

[Von06] Vontobel, Peter: Didaktisches Design aus lernpsychologischer Sicht (2006) http://www.tfh-bochum.de/fileadmin/redaktion/E-Learning/Vontobel_P_Didaktisches_Design.pdf